Der gehasste Wolf
„Es ist nicht verwunderlich, dass Wölfe, Schakale und ungezähmte Frauen einen ähnlich schlechten Ruf genießen, dass sie gefürchtet, gehasst und nach Möglichkeit unterdrückt, wenn nicht gar ausgemerzt werden.“
Als ich diesen einen Satz las, öffnete es mir plötzlich die Augen.
Er ist aus dem Buch „Die Wolfsfrau“ von Clarissa Pinkola Estés.
(Leseempfehlung – allerdings nicht so einfach zu lesen, wie ich finde)
Es erklärte mir, wieso es mich immer wieder so triggert, wenn über das Töten von Wölfen in den Medien diskutiert wird (was in Österreich in letzter Zeit immer häufiger Thema ist).
Denn eigentlich betrifft mich das Thema nicht direkt. Ich bin noch nie einem Wolf begegnet, bin keine Jägerin und keine Landwirtin. Also wieso fühl ich dann so stark mit?
Der Wolf zählt zum gleichen instinktiven Archetyp wie die wilde, ursprüngliche Frau. Sie haben vieles gemeinsam. Das instinktive Feingefühl, eine Vorliebe für das Verspielte und die unverrückbare Loyalität. Beide sind beziehungsorientiert, schnüffeln gerne neugierig herum, sind wissbegierig, spitzfindig, zäh, ausdauernd und seelenvoll.
Was sie noch verbindet: sie werden als Gefahr gesehen. Und das schon seit Jahrtausenden.
Deshalb wird auch heute wieder alles versucht, um die wachsende Population von Wölfen zu stoppen. Anstatt zu überlegen, wie ein Miteinander klappen kann, wird die schnellste, einfachste, dominanteste und brutalste Option gewählt: das Töten.
Und das ist es was mich an dem Thema so berührt und wütend macht. Es trifft die tiefe Wunde unserer Weiblichkeit. Wer den Wolf attackiert, attackiert auch mal wieder uns freiheitsliebende, sensible und ursprüngliche Frauen (und alle weiblich gelesenen Personen).
Klarerweise betrifft es auch genauso den „ungezogenen“ Hund in unserer Gesellschaft. Bellende, knurrende und eigenständige Hunde werden abgestraft. Dafür gibt es keinen Platz. Hunde müssen sich den Menschen anpassen und funktionieren (ich hasse dieses Wort!).
Kein Wunder also, dass genau wir intuitive, unangepasste, eigenständige Frauen solche Hunde in unser Leben anziehen. Und damit doppelt ausgeschlossen werden: für unser Verhalten und das unseres Hundes.
Aber jammern und die Schuldigen suchen bringt nichts. Das ist auch überhaupt nicht meine Intention. Ich bin ein Mensch, der nach Lösungen sucht und ins Handeln kommt.
Und diese Einstellung wünsche ich mir auch für alle anderen Frauen in der selben Situation.
Denn das eine ist das Annehmen von dem was ist und der nächste Schritt ist es ins Tun zu kommen. Den Beitrag bringen, den wir als einzelne Person umsetzen können.
Das können kleine, aber wirkungsvolle Handlungen sein.
Die eigene Meinung laut aussprechen.
Der eigenen Intuition vertrauen und danach leben.
Mit aufrechtem Körper und gehobenem Kopf durch die Welt gehen.
Durch die Schamgefühle durchgehen – denn erst dann werden sie weniger.
Bei Ungerechtigkeit nicht zusehen, sondern aufschreien.
All die Dinge tun, für die für Jahrtausende bestraft wurden. Denn jetzt ist die Zeit um das nachzuholen und auszuleben, was uns genommen wurde.
Zeigen wir unser wahres Ich.
13. April 2024