Die Narzissmusfalle
Dass Narzissmus ein Thema in meinem Leben ist, wurde mir erst im letzten Jahr bewusst.
In einer Systemaufstellung hat sich das Thema gezeigt und damit ist mir nichts andres übrig geblieben, als Bücher zu lesen, meine Vergangenheit zu reflektieren und tiefer in das Thema einzutauchen. Es hat sich so angefühlt, als hätte ich eine verdunkelte Brille abgenommen und plötzlich viel klarer gesehen. Und das war erstmal sehr beängstigend, denn meine Welt hat sich gedreht. Habe und hatte ich tatsächlich Menschen mit narzisstischen Zügen oder sogar mit narzisstischer Störung in meinem Umfeld? Wieso war mir das nie bewusst?
Jetzt weiß ich, dass jeder von uns narzisstische Seiten hat. Mehr oder weniger. Und auch, dass HSP und sehr empathische Menschen Narzissten öfter und schneller in ihr Leben lassen. Wir sind ja auch das perfekte Ziel. Die Neigungen zu aufopfernden Verhalten, People pleasing und jemanden retten zu wollen ziehen Narzissten an, denn diese suchen nach Anerkennung, wollen im Mittelpunkt stehen und lassen die Bedürfnisse des anderen im Hintergrund stehen. Personen mit narzisstischen Zügen beginnen meist mit sogenanntem Lovebombing, also überschütten den oder die Partner*in mit Liebesbeweisen. Das dreht sich dann irgendwann und es beginnt mit Abwertungen, Gleichgültigkeit und Manipulation. Und schon findet man sich in einer toxischen Beziehung wieder.
Aber nicht nur in Liebesbeziehungen kann man Narzissten begegnen, sondern auch in Freundschaften oder im Berufsleben. Pablo Hagemeyer, selbst Narzisst und Psychiater, erwähnt in seinem Buch „Gestatten, ich bin ein Arschloch.“, dass seiner Einschätzung nach unter Oberärzten und auch in NGO’s viele Narzissten zu finden sind. Das könnte damit zu tun haben, dass manche nicht aus Selbstlosigkeit helfen, sondern weil sie sich dadurch als etwas Besonderes sehen, Anerkennung von anderen bekommen und sich dann besser fühlen. Ich will das nicht verallgemeinern, denn in jeder Branche gibt es ganz unterschiedliche Menschen. Aber ich finde den Ansatz spannend, auch weil es mit meinen persönlichen Erfahrungen übereinstimmt. Meine Zeit als Angestellte in einer NGO hat mich an meine psychischen Grenzen gebracht. Ich dachte, dort können doch nur gute Menschen arbeiten. Der Gedanke war wohl naiv von mir. Mobbing war ein Thema, nicht nur unter Kolleg*innen, sondern auch aus der Führungsebene. Im Nachhinein für mich ganz klar: es waren auch Narzissten im Spiel.
Und schlussendlich musste ich mir auch eingestehen, dass auch in meiner engeren und weiteren Familie Personen mit stärker ausgeprägten narzisstischen Zügen zu finden sind. Seitdem mir das klar ist, kann ich damit besser umgehen und sehe es auch als meine Übungswiese. Bei ihnen übe ich Grenzen zu setzen.
Mein Fazit: Narzisstische Züge sind in manchen Fällen ganz schwer zu erkennen. Ich dachte früher, Narzissten sind Menschen die gerne über sich reden, auf der Bühne und im Mittelpunkt stehen und Arschlöcher sind. So jemand wie Trump zum Beispiel. Ja, die gibt es auch, aber oft zeigen sie sich nicht ganz so eindeutig. Deshalb heißt es vorallem für HSP und Empathen: Augen auf und nicht blenden lassen. Um gar nicht erst auf einen Narzissten reinzufallen, ist es wichtig am eigenen Selbstwert zu arbeiten und lernen klare Grenzen zu setzen. Mit einem höheren Selbstwert verschwindet dann auch die Tendenz, die Bedürfnisse anderer vor die eigenen zu stellen. People pleasing adé. HSP können auch leichter in die Falle treten, weil sie schnell die verletzte Seite und das „wahre“ Ich eines Menschen erkennen, somit das Gute in der Person sehen und Verständnis für das Gegenüber entwickeln. Wenn dann noch die Idee auftaucht, den anderen retten zu wollen, ist man schon mittendrin im Schlamassel. Wichtig ist auch, sich mit typischen Verhaltensweisen von Narzissten vertraut zu machen, damit diese rechtzeitig erkannt werden. Dazu zählen Gaslighting, Manipulation, Kontrolle, ungesunder Egoismus, Lovebombing, usw.
Vielleicht helfen euch meine Erfahrungen, damit ihr im besten Fall allen Narzissten gekonnt aus dem Weg gehen könnt.
5. Mai 2022